Fotos © Maybach Foundation
Fördern & Fordern
Uli Maybach über Mobilität, Unternehmertum und das Mentoring für junge Talente.
Interview: Thomas Garms
Als Urenkel von Wilhelm Maybach, dem Konstrukteur des ersten Mercedes, ist Ihr Name untrennbar mit der Automobilwelt verbunden. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche?
Ulrich Schmid-Maybach:
Ich betrachte das Thema aus der Perspektive der Mobilität. Es geht darum, von Punkt A nach Punkt B zu gelangen – mit Fokus auf Geschwindigkeit, Komfort und Nachhaltigkeit. Die zentrale Frage ist: Was mache ich mit der Zeit des Unterwegseins? Bin ich mit dem Steuern eines Fahrzeugs beschäftigt oder kann ich arbeiten, schlafen oder mich anderweitig sinnvoll beschäftigen? Lange Strecken bedeuten oft verlorene Zeit.
Welche Lösungen sehen Sie?
Ein Beispiel sind fahrerlose Autos, die bereits in Kalifornien verfügbar sind. Für kurze Strecken reizt mich das nicht, da ich gerne selbst fahre. Doch auf längeren Distanzen sehe ich Vorteile: Statt mit dem Flugzeug zu reisen – inklusive Anfahrt, Sicherheitskontrollen und Wartezeiten – kann ich mich in einem autonomen Fahrzeug entspannen oder produktiv sein. Zudem sind diese Fahrzeuge inzwischen günstiger als ein Auto mit Fahrer.
Ein weiterer spannender Trend sind Remote Driver: Eine Person steuert das Auto aus der Ferne, während man selbst als Passagier reist. Ob sich Augmented Driving langfristig durchsetzt, bleibt abzuwarten. Ich bevorzuge vollständig autonome Fahrzeuge. Noch relevanter als Mobilität erscheint mir jedoch die Künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf Gesundheitswesen, Logistik und Lieferketten.
Was macht Sie so sicher, dass Innovationen bald Realität werden?
In den USA fließt Kapital in mutige Ideen – auch wenn unklar ist, ob sie funktionieren. In Deutschland begegnet man jungen Forschern oder Unternehmern oft mit Skepsis: „Wir verstehen nicht, was du da machst, und haben auch kein Budget dafür.“ In Princeton heißt es: „Wir verstehen die Idee nicht, aber sie klingt spannend – leider fehlt uns das Geld.“ In Stanford sagt man: „Wir wissen nicht, wovon du redest, aber wir finanzieren dich – du wirst schon etwas Großartiges daraus machen.“ Diese Mentalität macht den Unterschied.
Wie stehen Sie zur Elektromobilität?
Elektrofahrzeuge sind abgasfrei, was ein Fortschritt ist. Doch das Thema muss ganzheitlich betrachtet werden. In Kalifornien ist es beispielsweise verboten, alte Reifen zu verbrennen – doch sie dürfen in einen anderen Bundesstaat transportiert und dort entsorgt werden. Ähnlich verhält es sich mit E-Autos: Wenn der Strom nicht nachhaltig produziert wird, ist die Ökobilanz verbesserungswürdig. Für eine klimaneutrale und wirtschaftlich rentable Mobilität sind noch große Anstrengungen nötig.
Fahren Sie selbst einen Maybach?
Im Alltag fahre ich eine Mercedes E-Klasse und für kurze Strecken einen Elektro-Smart. Zudem besitzen wir einen Mercedes SUV. In der Familie gibt es einige Maybachs, die hoffentlich einmal Sammlerstücke werden.
Haben Sie Oldtimer in Ihrem Besitz?
Ja, wir besitzen den ersten Maybach 57, das erste Serienmodell nach der Wiederbelebung der Marke im Jahr 2002. Dieses Fahrzeug steht in Deutschland und wird gelegentlich genutzt. In den USA haben wir ein Exemplar der Maybach-Sonderedition von Virgil Abloh – eher ein Kunstwerk als ein Alltagsauto.
Wie stehen Sie zu den technologischen Unterschieden zwischen Europa, den USA und Asien?
Ich habe großes Vertrauen in die Innovationskraft der deutschen Automobilindustrie – besonders bei Mercedes. Die Marke Maybach entwickelt sich zunehmend zu einer Limited-Edition-Marke, die Fahrzeuge mit besonderem Wert erschafft. Gleichzeitig sollte man asiatische Hersteller nicht unterschätzen. Sie liefern mittlerweile exzellente Qualität.
Welche globalen Trends werden die nächsten Jahre prägen?
Eine neue Generation wächst heran, die digitale Besitztümer den physischen vorzieht. Dinge existieren nicht zwangsläufig für immer in ihrer jetzigen Form – das gilt für Produkte ebenso wie für Technologien.
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Sehen Sie die USA als Vorbild?
Amerika bietet große Chancen. Ein Beispiel: Ich traf kürzlich auf einer Veranstaltung einen 16-jährigen Schüler, der bereits an einem vielversprechenden Startup arbeitet – finanziert durch einen Mentor. Er wirkte reif, aber nicht arrogant, sondern begeistert von seinen Möglichkeiten. Jemand hat sein Talent erkannt und ihm eine Chance gegeben.
Sie engagieren sich selbst für junge Talente. Was ist die Idee hinter der Maybach Foundation?
Wir fördern talentierte junge Menschen, die nicht aus privilegierten Verhältnissen stammen. Mein Urgroßvater wuchs im Waisenhaus auf und konnte dennoch mit seiner Motorentechnik Geschichte schreiben.
Welche Rolle spielt der Wilhelm-Maybach-Award?
In Zusammenarbeit mit der Wilhelm-Maybach-Schule in Heilbronn zeichnen wir jedes Jahr herausragende Berufsschüler aus. In diesem Jahr wurde ein Umschüler geehrt, der durch seine klugen Fragen in der Ausbildung zum Elektroniker auffiel und mittlerweile selbst als Ausbilder tätig ist.
Wie können Interessierte die Stiftung unterstützen?
Wir motivieren führende Persönlichkeiten, sich als Mentoren zu engagieren. Zudem haben wir das „Maybach Foundation Mentoring Kompendium“ veröffentlicht – ein 90-seitiges Handbuch für angehende Mentoren. Unterstützer können Fördermitgliedschaften erwerben, die Zugang zu exklusiven Veranstaltungen wie Mentor Talks und Empfängen bieten.
Was bedeutet für Sie Luxus?
Für einen Menschen in Afrika bedeutet Luxus, täglich essen zu können. Für einen reichen Amerikaner ist es vielleicht ein Privatjet. Für mich ist Zeit der größte Luxus. Ich kenne jemanden, der ein 100-Millionen-Dollar-Anwesen besitzt, aber nie dort war – er hat schlicht keine Zeit.
Wie setzen Sie Ihre Prioritäten?
Freundschaften sind mir wichtig. Der größte Luxus ist es, Zeit mit Menschen zu verbringen, die einem am Herzen liegen. Wenn das dann noch an einem besonderen Ort oder in einem schönen Auto passiert – umso besser.
Wir sprechen in Ihrem Gewächshaus in San Francisco. Was bedeutet Ihnen dieser Ort?
Es ist ein Rückzugsort, um ungestört Gespräche zu führen. Unser Bürogebäude wurde von Julia Morgan entworfen – eine der bedeutendsten Architektinnen der USA. Viele kommen, um es zu besichtigen. Im Garten wachsen Rosen, die meine Mutter gezüchtet hat. Mein Urgroßvater erfand seine Motoren ebenfalls in einem Gartenhaus.
Fallen Ihnen Entscheidungen eher rational oder intuitiv?
Beides. Ich bin analytisch, aber auch empathisch. Wichtig ist mir, mein Ziel zu erreichen – nicht, immer direkt meine Meinung kundzutun.
Dürfen Sie bei der Entwicklung neuer Maybach-Modelle mitreden?
Wir wurden gelegentlich eingeladen, um Feedback zu geben. Ich habe guten Kontakt zu Gorden Wagener, dem Chefdesigner von Mercedes. Doch heute nutzt man KI, um tausende Nutzermeinungen zu simulieren. Ich würde gerne wissen, ob das zuverlässiger ist als echte Menschen zu befragen.
Welches historische Ereignis hätten Sie gern miterlebt?
Ich bin glücklich, die Ära der KI und Robotik zu erleben. Vielleicht ist sie ebenso bahnbrechend wie der Übergang vom Dampf- zum Dieselmotor.
Meer oder Berge?
Ich liebe die Berge, gehe gerne auf Skitouren und klettere.
Ihre Traumreise?
Italien – die Esskultur, das langsame Leben, das Miteinander. Aber auch Papua-Neuguinea reizt mich: eine technikfreie Welt mit tief verwurzelten Mythen und Ritualen.
Welche Rolle spielt das Verkehrsmittel beim Reisen?
Ich fahre gern Auto, aber manche Orte erreicht man besser zu Fuß – etwa Machu Picchu. Zum Burning Man Festival nehme ich das Flugzeug.
Wie stehen Sie zu Helikoptern?
In Afrika flog ich einmal mit dem Helikopter zum Lake Turkana. Statt stundenlanger Autofahrt erreichten wir das Ziel in 45 Minuten. Das war echter Luxus.
Zur Person:
Herr Maybach verfügt über dreissig Jahre Erfahrung als Software- und Immobilienunternehmer, strategischer Investor und Philanthrop. Er war globaler Markenbotschafter der Maybach-Automobilmarke bei deren Relaunch im Jahr 2003 und Gründungsmitglied sowie Stratege im Vorstand von Maybach Icons of Luxury, einem Unternehmen, das weltweit unter der Marke Maybach luxuriöse Brillen und Accessoires vertreibt.
Inspiriert von den bescheidenen Anfängen seines Urgrossvaters, der als Waise im Deutschland der 1850er-Jahre aufwuchs, gründete Herr Maybach 2006 die Maybach Foundation (www.maybach.org) bei den Vereinten Nationen. Ihr Ziel ist es, Talente in schwierigen Lebenslagen zu fördern, um positiven gesellschaftlichen Wandel zu bewirken. Im Oktober 2006 wurde er in den Council of Mentors des United Nations Global Youth Leadership Network in New York aufgenommen.
Herr Maybach repräsentiert die vierte Generation eines Familienunternehmens, das sein Urgrossvater Wilhelm Maybach begründete. Wilhelm Maybach wuchs im Waisenhaus auf und konstruierte 1901 den ersten Mercedes. Sein Grossvater Karl Maybach wiederum war ein Pionier in der Entwicklung grosser Dieselmotoren, die bis heute den Hochgeschwindigkeits-Schienenverkehr in Deutschland antreiben, die berühmten Zeppelin-Luftschiffe antrieben und in den luxuriösen Maybach-Automobilen der 1920er- und 1930er-Jahre verbaut wurden.
Als begeisterter Skifahrer und Bergsteiger engagiert sich Herr Maybach aktiv in Investoren- und Philanthropie-Netzwerken. Zudem tritt er regelmässig als Redner zu den Themen Mentoring und nachhaltige Markenführung in Familienunternehmen auf. Weitere Informationen unter: www.maybach.com.